Journalist Lorenz S. Beckhardt liest aus seinem Buch „Der Jude mit dem Hakenkreuz“

Lorenz Beckhardt, Journalist beim WDR, las kurz nach dem Holocaustgedenktag vor Schülerinnen und Schülern der Oberstufe aus seinem Buch „Der Jude mit dem Hakenkreuz“, in dem er seine ungewöhnliche Familiengeschichte aufgearbeitet hat.

Als Beckhardt 18 Jahre alt ist und den Wehrdienst verweigern möchte, erfährt er zufällig von seinen Verwandten, dass er Jude ist und daher als Kind von durch das Naziregime Verfolgten ohnehin nicht zur Bundeswehr gehen muss. Beckhardt, von seinen Eltern katholisch erzogen, nimmt diese völlig überraschende Information später zum Anlass, dem Unerzählten in seiner Familiengeschichte nachzuspüren. So lernt er die Geschichte seines Großvaters Fritz aus Wiesbaden kennen, der im Ersten Weltkrieg in einem Jagdgeschwader an der Seite des späteren Nazi-Reichsmarschalls und Kriegsverbrechers Hermann Göring flog und hohe militärische Auszeichnungen erhielt. Dennoch ist auch er in den 30er Jahren der Verfolgung der Juden in Deutschland ausgesetzt, landet im Gefängnis und im Konzentrationslager – und kommt später nach Interventionen bei Göring wieder frei. Zahlreiche weitere Familienmitglieder werden ebenfalls deportiert, manche überleben, andere werden ermordet. Beckhardt weiß hier viel darüber zu erzählen, wie Menschen aus ihrem heilen Alltag und ihren intakten Beziehungen zu Nachbarn, Mitschülern und Dorfbewohnern herausgerissen und geächtet werden, mit welchem Einfallsreichtum die Nationalsozialisten sie schikanieren und um ihr Vermögen bringen. Bedrückend sind Beckhardts Zitate aus den administrativen Anordnungen, in denen Juden der Ablauf ihrer Deportation verkündet und das erlaubte Gepäck peniblen Vorgaben unterworfen wurde. Erleichterung im Publikum wird spürbar, wenn Vater Kurt als Kind der Verfolgung entfliehen kann, indem er einen Platz der „Kindertransporte“ nach England erhält. Irritation kommt auf, wenn Großvater Fritz seiner Frau und dem 23-jährigen Kurt 1959 eröffnet, dass die Familie zurück nach Deutschland kehrt – es folgen schwierige Jahre, Vater Kurt betrachtet die Rückkehr später als „größten Fehler seines Lebens“.

Im Gespräch mit den Schülerinnen und Schülern ergeben sich aus dem Blick auf die Geschichte auch Schlussfolgerungen für die Gegenwart. Beckhardt bewegt insbesondere die Erkenntnis, wie sehr „die Gleichgültigkeit der Nachbarn“ die Verfolgung und Ermordung der Juden ermöglicht hat. Angesichts des heute wieder erstarkenden Antisemitismus appelliert er daher an die Schülerinnen und Schüler, sich um die Gesellschaft, in der sie leben, zu kümmern und sich aktiv für die Wahrung unserer freiheitlichen Grundordnung einzusetzen.

(Robert Brand)