Der 27. Januar 1945 gilt als ein wichtiger Tag in der Geschichte. Ein Tag, an dem wir aller Opfer des Nationalsozialismus gedenken.
Rund 7.000 schwer kranke Überlebende wurden damals von der Roten Armee aus dem Konzentrationslager Auschwitz befreit und in Sicherheit gebracht. Weg von den vielen Schrecken, die an diesem Ort lauerten.
Jahr für Jahr schwindet die Zahl jener, die überlebt haben. Damit fällt nun auch eine weitere Aufgabe der heutigen Generation zu. Es gilt, die Erinnerungen an die Opfer lebendig zu halten, doch dafür muss man selbst erst zum Zeugen werden. Deshalb haben wir uns als Teilnehmer*innen des Projekts „Jüdisches Leben in Fulda“ an der Winfriedschule Fulda zu einer einwöchigen Studienfahrt nach Oświęcim entschlossen.
Bevor wir unsere fünftägige Exkursion zur Gedenkstätte Auschwitz vom 15. bis zum 20. Januar antraten, bereiteten wir uns gemeinsam darauf vor. Jeder von uns wurde von jeweils fünf Personen „begleitet“, die nach Auschwitz deportiert und dort fast alle ermordet wurden. Durch lange und eindringliche Recherchen lernten wir diese besonderen Menschen und ihre Schicksale kennen. Ob jung oder alt, ob Mann oder Frau, sie alle hatten eins gemeinsam: Sie stammten aus oder wohnten in Fulda und wurden Opfer der radikalen Judenverfolgung, durch die jeder von ihnen nach Auschwitz deportiert wurde.
Den ersten Kontakt mit dem jüdischen Glauben in Polen hatten wir in einem Viertel des Stadtteils Kazimierz in Krakau. Dort besuchten wir die Remuh-Synagoge mit ihrem Friedhof, machten uns jedoch auch ein Bild von der besagten Großstadt.
„Arbeit macht frei“
Am nächsten Tag begannen wir bereits unsere Besichtigung des Stammlagers. Trat man auch nur durch den Torbogen mit der Aufschrift „Arbeit macht frei“, so herrschte bedrückende Stimmung. Nebel verschleierte die Verbrechen, die in den 28 symmetrisch angeordneten und in gleichem Stil gebauten Blöcken begangen wurden. Unzählige Ausstellungen erzählten die Geschichten über das Leid der Opfer. Im Hof des Blocks 11 starben tausende Unschuldige, erschossen an der Schwarzen Wand, zu Tode gefoltert in Zellen, die schon Höhlen glichen. Aber auch der Kontrast des Lebens außerhalb des Lagers und innerhalb: perverse Experimente an Menschen; Kinder ohne Kindheit; der Schmerz, die Wut, aber auch Resignation in den Augen der Inhaftierten – nicht vieles, was einem dort begegnet, lässt sich in Worte fassen. Und wie um dem Abstrusen noch die Krone aufzusetzen, häuften sich dort Berge an geraubten Koffern, Schuhen und Brillen, aber auch über zwei Tonnen Haar, einst der Stolz tausender Menschen.
Die Gaskammer mit den vom Ruß schwarzgefärbten Krematorien beendete unsere emotionale und erschütternde Erfahrung im Arbeitslager, wo wir dieselben Wege liefen, wie Menschen, die dort litten und ermordet wurden.
„Fabrik des Todes“
Konnte man sich im Stammlager bereits nur mit Mühe die Dimension vorstellen, so war es in Auschwitz-Birkenau schlichtweg unmöglich. Alleine in dieser „Fabrik des Todes“ wurden über eine Million Menschenleben ausgelöscht. „Es ist wie eine Filmkulisse“. Diese Worte hörte man am Abend des Tages mehrfach.
Es blieben uns nicht viele Worte, nachdem wir durch das „Todestor“ gingen und auf das im Nebel liegende, bis zum Horizont rückende Auschwitz-Birkenau blickten. Der Himmel weinte Tränen aus Schnee und Regen; selbst ein Baum, am Rande eines kleinen Wäldchens, wand sich in Schmerzen – als hätte er allem stumm und untätig zusehen müssen.
Einige hölzerne Baracken wurden nachgebaut, viele aus Stein sind sogar noch erhalten. Von den restlichen Bauten sind jedoch meist nur noch die Grundmauern zu erkennen, Zeugnisse der blanken Zerstörung und des Todes. Davon erzählen auch die letzten Überbleibsel der Krematorien und der Gaskammern. Besonders starke Emotionen löste das sogenannte Weiße Haus aus. In diesem ehemaligen Bauernhaus, welches zu einer Gaskammer umgebaut wurde, starben tausende Menschen auf engstem Raum – davon auch einige Fuldaer, derer wir dort mit einer Schweigeminute gedachten.
Auch wenn diese Reise keine leichte für uns war aufgrund der Flut an Eindrücken, Informationen und Emotionen, so war sie durchaus eine wertvolle Erfahrung, die es sich zu machen gelohnt hat. Durch die Fahrt haben wir vielleicht nicht die Welt verändert, aber ganz bestimmt uns selbst. Wir haben neue Freundschaften geschlossen, haben zusammen gelacht und geweint. Aber vor allem haben wir versucht unseren dortigen Besuch aufzuarbeiten und etwas Positives daraus zu ziehen. Deshalb wollen wir mit Zuversicht in die Zukunft blicken. Denn als Gruppe haben wir diesen Weg gewählt und durchgestanden. Wir können die Geschichte zwar nicht ändern, aber wir können aus ihr lernen.
Gedenken lebt nicht vom Schweigen, sondern findet sich im Gespräch. Wurden noch so viele Menschen ermordet – in unseren Herzen sind sie unsterblich.
Über das Projekt:
Das Projekt, in dessen Rahmen wir die Gedenkstätte Auschwitz besucht haben, findet an unserer Schule – der Winfriedschule Fulda – statt. Unter der Leitung von Anja Listmann, der Beauftragten für Jüdische Geschichte der Stadt Fulda und mit Unterstützung von Herrn Emmerich lernen wir die jüdische Geschichte unserer Stadt in allen Facetten kennen. Zum Beispiel in Form von Stadtrundgängen an historische Orte in Fulda. Außerdem helfen wir dabei, Gedenktage zu organisieren und nehmen an Treffen mit Nachfahr*innen jüdischer Familien teil. Darüber hinaus schließt das Projekt einen dreijährigen Schüleraustausch mit Petach-Tikva in Israel mit ein.
(Autoren: Die Schülerinnen und Schüler der AG „Jüdisches Leben in Fulda“)