Nachfahren von Fuldaer Jüdinnen und Juden besuchen Winfriedschule

Am Donnerstag Vormittag konnte die Winfriedschule eine kleine Gruppe von Jüdinnen und Juden begrüßen, die den rund 200 Schülerinnen und Schülern der Oberstufe ihre Familiengeschichte auf sehr emotionale Weise näher brachten. An der Diskussion nahmen der in Chicago lebende und inzwischen pensionierte Rechtsanwalt Norman Goldmaier, der aus den USA stammende und inzwischen in Israel lebende Yoni Schwartzman sowie der in Israel unterrichtende Lehrer Boaz Inbal teil. Begleitet wurden die drei jeweils von ihren Ehefrauen, aber auch Boaz Tochter Yaela Stavi nahm an der Veranstaltung teil. Nach ihrer Vorstellung und Ausführungen zu ihrer Familiengeschichte hatten die Schülerinnen und Schüler noch die Chance, alle möglichen Fragen über die Vergangenheit und auch die Zukunft der Gäste in ihrer jeweiligen Lebenswelt zu stellen. Ermöglicht wurde uns diese Veranstaltung, da in dieser Woche über 150 Jüdinnen und Juden in Fulda zusammenkamen unter dem Motto: „Fulda Family Heritage Réunion: Honoring our Jewish Legacy“. Die hauptsächlich von Anja Listmann, der Beauftragen für jüdisches Leben der Stadt Fulda, organisierte Veranstaltungswoche gab neben Gedenkveranstaltungen, Stadtführungen und Vorträgen auch den Teilnehmenden der AG “Jüdisches Leben” der Winfriedschule die Chance, sich täglich bei allen Veranstaltungen einzubringen, sei es zum Beispiel das Begleiten der Gäste an die vielen Orte oder auch das Unterstützen bei der Organisation eines Schweigemarsches zum Hauptbahnhof. Vor allem Frau Listmann ist es zu verdanken, dass die Oberstufenschülerinnen und Schüler die Chance hatten, aus erster Hand Familien Erfahrungen des Holocausts hören zu können.

Anfangs erläuterte Norman Goldmaier, dass es immer wieder emotional sei, über seine Vergangenheit zu sprechen, als er davon erzählte, dass er in dieser Woche schon mehrmals den Weg vom Uniplatz hoch zur Bahnhofstraße auf sich nahm, in dem Wissen, dass dies der Weg war, den sein Vater vor über 80 Jahren ging, um seine Großeltern zu verabschieden, bevor sie nach Sobibor deportiert wurden.

Die Schülerinnen und Schüler hatten Fragen über Fragen, sodass Yoni Schwartzman nicht verlegen war, seine Begeisterung aufgrund des Interesses und auch Wissens der anwesenden Schülerinnen und Schüler kundzutun. Dies zeigte sich unter anderem bei der Frage, wie es für ihn gewesen sei, die sogenannte Alija, also das Zurückkehren in die Heimat als im Ausland lebender Jude, durchzuführen.

Auch wenn er sich zunächst für sein Englisch entschuldigte, so hatte doch am Ende Boaz Stavi einen Löwenanteil daran, eine moralische Ebene einzubringen in Bezug auf aktuelle Probleme, wie den immer weiter steigenden Rechtsruck in der Welt. Schon Norman Goldmaier endete seinen Beitrag mit dem Appell, aufmerksam gegenüber rechter Demagogie zu sein, die immer mehr um sich greife. Beide betonten, dass es wichtig ist, sich seiner persönlichen Rolle in der Gesellschaft bewusst zu werden und genau dann Haltung zu beziehen, wenn anderen Menschen Unrecht geschieht.

Den Schülerinnen und Schülern bot sich so die Gelegenheit zu einem beeindruckenden Austausch über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Schulleiterin Annette Albrecht bedankte sich abschließend herzlich bei den Gästen für deren Bereitschaft, der Schule ihre Zeit zu schenken, sowie bei Herrn Emmerich für seine Organisation und Moderation.

(Thorben Emmerich)