Hauptmann Alexander Schäbler diskutiert mit Schülerinnen und Schülern über die Rolle der Bundeswehr vor dem Hintergrund einer multipolaren Weltordnung
Für die Schülerinnen und Schüler der Winfriedschule war es zunächst ein ungewöhnlicher Anblick: Nicht jeden Tag bekommen sie im Politikunterricht Besuch von einem uniformierten Bundeswehrsoldaten. Die PoWi-Lehrer Matthias Hansen und Lukas Kaufmann luden den für Fulda zuständigen Jugendoffizier der Bundeswehr, Hauptmann Alexander Schäbler, zu einer Unterrichtseinheit der Jahrgangsstufe 10 ein. Dort nahm sich der Sicherheitsexperte zwei ganze Tage Zeit, um intensiv mit jeder einzelnen Klasse des Jahrgangs zwei Schulstunden lang zu diskutieren und zu referieren.
Während seines Vortrags verglich der Referent Sicherheitspolitik immer wieder mit alltäglichen und schülerorientierten Praxisbeispielen. So sei eine starke NATO ähnlich anzusehen wie ein bedrohlich-wirkender Türsteher, welcher alleine durch seine Anwesenheit für Sicherheit sorge. Hauptmann Schäbler erläuterte den Sicherheitsbegriff von Individuen, Familien, Gesellschaften bis hin zum Staat, indem er die Komplexität durch den Vergleich mit einer vielschichtigen Zwiebel verdeutlichte. Die internationalen Beziehungen vieler Staaten seien, so Schäbler, vergleichbar mit einem „unübersichtlichen Sack voller Zwiebeln“. In der Sicherheitspolitik solle die Bundeswehr als „Hammer im Werkzeugkasten“ verstanden werden, jedoch erwarte man von ihr, eher wie ein multifunktionales Werkzeug zu funktionieren. Die Herausforderung bei Auslandseinsätzen bestehe folglich darin, dass die Bundeswehr „als Hammer“ nach Afghanistan entsandt wurde, dort jedoch „als Hammer“ keinen kompletten Staat umbauen könne. Daher sei ein gut durchdachtes politisches Konzept in Zusammenarbeit mit anderen internationalen Akteuren notwendig, wie Schäbler anhand seiner eigenen Auslandseinsätze in Mali 2013 und Afghanistan 2018 verdeutlichte. „Es war eine sehr informative Veranstaltung, welche uns Schülern noch einmal die Aufgaben und Funktionsbereiche der Bundeswehr gezeigt hat“, äußerte sich eine Schülerin der 10. Klasse beeindruckt.
Anhand aktueller Ereignisse diskutierte der Jugendoffizier das Dilemma zwischen werte- sowie interessengeleiteter Außenpolitik. Deutschland habe sich im Sinne westlicher Werte gegen russisches Gas entschieden, jedoch zulasten von Wirtschaftsinteressen wegen des niedrigen Einkaufspreises. Eine Herausforderung der werteorientierten Außenpolitik sei hierbei die mangelnde Alternative, da man nun Gas aus der Diktatur von Katar beziehe.
Hauptmann Schäbler, der einen Masterabschluss in Strategischen Studien vorweist, erläuterte die unterschiedlichen Spezialisierungen der Bundeswehr, neben den klassischen Ressorts wie Heer, Marine oder Luftwaffe auch die Basisstreitkräfte und die Cyberabwehr. Die angekündigte Zeitenwende der Bundeswehr laufe jedoch schleppend in der Umsetzung, da die Vollausstattung der Soldaten und Standorte noch nicht erfolgt sei. Die in den Jahren seit dem Ende des Kalten Kriegs durchgeführten Sparmaßnahmen in der Bundeswehr erwiesen sich nun seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine als Fehler.
In der Diskussion sprach der Referent für Sicherheitspolitik auch die Debatte um die Waffenlieferung des Taurus oder den Taurus-Abhörfall an, bei dem Luftwaffenoffiziere in einer Videokonferenz den Einsatz des Taurus erörterten, jedoch vom russischen Geheimdienst abgehört wurden. Probleme ergeben sich nun, da das Image der Bundeswehr leide und Russland dies für die eigene Propaganda nutze, um das „deutsche Feindbild“ zu verstärken. Dies zeige, dass Deutschland sich mittlerweile in einem „Informationskrieg“ mit Russland befinde, was auch Verteidigungsminister Pistorius deutlich so betone.
In seinem Plädoyer unterstrich Schäbler, dass die Schülerinnen und Schüler stets Informationen kritisch prüfen sollten, bevor sie zu einem Urteil oder eigenem Handeln gelangen. „Ich habe einiges mitgenommen und mir im Nachhinein auch noch Gedanken darüber gemacht“, reflektierte ein Schüler nach der Veranstaltung. Eine andere Schülerin teilte mit, dass auch das Kennenlernen der Meinung eines Bundeswehrangehörigen aufschlussreich war, um die Sicherheitspolitik besser verstehen zu können.
(Lukas Kaufmann)